11. September 2019
APPARAT – VIER SINGLES
(US Avatar/Apparat 2004)
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(dt. Dantes Verlag / 2019)
Warren Ellis
Die vier Apparat Titel sind inspiriert von Pulp Magazinen der 1930er und sind Ellis Vorstellung wie heute moderne Comics ohne den Einfluss von Superhelden aussehen würden.
Warren Ellis zieht dabei eine Analogie zu (Pop) Singles die sich mit einem Thema befassen, in knackigen 3 Minuten auf den Punkt kommen und ohne Vorwissen genossen werden können.
Willkommen im Singles Collector Club.
Angel trampelt Zukunft (Angel Stomp Future)
Artwork: Juan José Ryp
Ellis präsentiert uns hier eine surreale und morbide Cyberpunk Zukunft.
Der Kulturschock ist vorprogrammiert, wenn Angel (eine…ähhmm… Ärztin im knappen Latexfummel) über Mem-Komplexe philosophiert und nebenbei dem Leser erklärt, dass die Zukunft genauso abgefucked ist wie die Gegenwart.
Die menschliche Natur ändert sich nicht wegen modifizierten Bodyupgrades, bizarren Sex-Fetishen oder öffentlichen Abtreibungsvorrichtungen.
Die Gier bleibt immer dieselbe.
Die Darstellung ist verstörend, José Ryp ("Frank Miller's RoboCop", "Black Summer") ist die Geschichte auf dem Leib geschrieben.
Das Artwork ist überladen, wie das Wimmelbild eines hyperakitven Hirnes und ist manchmal schwer zu dechiffrieren.
Ellis geht als Autor zu seinen Wurzeln zurück, als er noch für britische Underground Magazine ("Lazarzus Chuchyard" & Co) schrieb.
Krankes, kleines Biest, bei dem die Idee von Sci-Fi ernst genommen wird, bis auf ein paar coole Einfälle verläuft es sich dann aber ins Leere.
Angel verschwindet, wie sie gekommen ist, und lässt den doof dreinblickenden Leser einfach zurück.
Anhang 28800
Frank Ironwine
Artwork: Carla Speed McNeil
Die Handlung könnte genauso gut als eine Pilotfolge für das Fernsehen funktionieren.
Frank Ironwine ist ein schrulliger Detective (so eine Mischung aus Columbo und Sherlock Holmes), der wohl gerne mal einen säuft und dann im Müllcontainer übernachtet.
Der Schein trügt aber, im Oberstübchen läuft alles rund. Nur durch seinen ausgeprägten Spürsinn knackt er einen Mordfall. Dabei verlässt er sich alleine auf seine Beobachtungsgabe, verzichtet komplett auf die ihm verhasste Spurensicherung.
Die Story überrascht auf mehreren Ebenen und die Dialoge sind wirklich witzig geschrieben.
Ellis huldigt den Pulp Krimis allen voran Chandler und Hammett.
Anhang 28801
Stadt der Aussteiger (Quit City)
Artwork: Laurenn McCubbin
Der Regel folgend Abenteuercomics neu zu interpretieren, sind dieses mal die Helden der Lüfte dran.
In der Zeit um den 2. Weltkrieg waren die Flying Aces hoch im Kurs und hatten ein eigenes Subgenre.
Allerdings stellt Ellis gleich mal die gewohnte Handlung auf den Kopf.
Anstatt eines großen Abenteuers kehrt Emma in ihre alte Heimat zurück und hängt ihren Pilotenhelm an den Nagel.
Sie muß sich hier ihrer Vergangenheit aus einem anderen Leben stellen um wieder nach vorne sehen zu können.
Wirkt fast wie ein Slice of Life Drama Happen, das Thema hat mich wie auch das Artwork am wenigsten abgeholt.
Anhang 28802
Simon Spector
Artwork: Jacen Burrows
Das letzte Kapitel ist wieder eine Hommage an die Pulp Helden wie "Doc Savage" und "The Shadow".
Simon Spector ist wie Frank Ironwine ein erfahrener Detective. Damit hört es mit den Ähnlichkeiten aber auch schon auf. Im Gegensatz zu Frank bewohnt Simon ein riesiges Penthouse (inklusive hübscher Leibwächterin), liebt stilvolle Anzüge und ist hoch intelligent. An Geld mangelt es nicht, nebenbei beherrscht er natürlich noch meisterlich verschiedene Kampfsportarten.
Wenn seinen Klienten niemand mehr haben, an den sie sich wenden können, dann übernimmt er den Fall.
Sein letzter Einsatz bringt ihn dann zu einem alten Feind. Was niemand weiß: Um über die gesteigerten Kräfte zu verfügen, nimmt Simon Pillen, die ihm aber selber im Gegenzug stets eine Woche seines Lebens kosten …
Cooler Action Thriller zum Abschluss der vor allem durch die dynamische Arbeit von Burrows lebt.
Der Prototyp der Antihelden ist altbekannt und bringt doch frischen Wind.
Mark Millar hat wohl die Geschichte auch gelesen und sich dann an „Prodigy“ gesetzt …
Anhang 28803
Interessant sind die auch Anhänge zu jeder Ausgabe bei denen Warren Ellis viel Raum für seine Ideen und Inspirationsquellen gegeben wird.
Das Konzept der „Singles“ wird konsequent umgesetzt und man bekommt viel Abwechslung geboten. Beim lesen wurde ich aber irgendwie das Gefühl nicht los, als hätte Ellis ein paar Entwürfe in seiner Schublade gefunden, mit denen er nicht recht was anfangen konnte und dann hier raus gehauen hat.
Seine Liebe für die Groschenheftchen und Pulphelden hat er ja unter anderem in „Planetary“ bewiesen, in „Transmetropolitan“ oder „City of Silence“ die zum Cyberpunk. Hier wirkt einiges wie eine Fingerübung die dann später mit „Black Summer“, „Doctor Sleepless“, „Fell“ oder „FreakAngels“ weitergeführt wurde.
Die Sammlung bietet aber trotzdem wunderbare Einblicke in die schräge Welt von Warren Ellis und zeigt, wie der Herr so tickt.
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