Und in der ersten Hälfte war das auch der Fall. Gut fand ich die Geschichte schon zu Beginn, auch wenn nicht von Anfang an die Gewissheit da war: Ja, der Band wird mir auf jeden Fall gefallen.
Minato ist ein ziemlicher Hit-or-Miss-Charakter. Weinerlichkeit kann gut umgesetzt sein und süß wirken oder furchtbar nervig. Aber hier fand ich das ziemlich gelungen. Genauso seine Nervosität, das ständige Herumfuchteln mit den Händen, das Gestammel. Kann einen ziemlich aufregen, aber hier wie gesagt nicht. Ein Grund dafür sind sicherlich die Szenen drumrum und dass er trotzdem willensstark ist und sich auch durchsetzen kann, wenn's drauf ankommt, z.B. die Situation mit den Eltern oder sein Wunsch, seinen Spitznamen zu behalten. Oder das Ende, aber dazu später mehr.
Dann kommen wir mal zu Seth. Hier wird etwas richtig gemacht, was mich manchmal bei Semes stört. Ich mag ja stoische Charaktere, aber vielmals sind sie von der Persönlichkeit nicht nur kühl, sondern kalt und vollkommen undurchsichtig. Hier wirkt Seth zwar zuerst auch ein wenig unnahbar, aber zumindest merkt man was von seinen Gefühlen, nicht nur aufs Romantische bezogen. Von Anfang an hat er dieses melancholische Lächeln an sich, das neugierig macht. Die Chibi-Zeichnungen und Situationskomik deswegen helfen auch. Jedenfalls strahlt Seth das aus, was ich an stoischen Charakteren gerade so anziehend finde: Besonnenheit (pun intended) und Reife. Das Missverständnis mit dem Sonnenschirm, der sein Interesse an Minato erst geweckt hat, nimmt er jedenfalls beachtlich gelassen hin.
Die Nebencharaktere sind BL-typisch sympathisch, wenn auch größenteils etwas eindimensional; das kennt man ja. Der Opa hat mir aber ziemlich gefallen. ^^
"Eine gute, ruhige Geschichte" wäre dann mein Fazit gewesen, auch wegen der zufällig eingestreuten Referenzen, (so was gefällt mir sowieso immer, auch wenn ich nur wenige verstehe~) aber dann bietet der Manga im letzten Drittel sein ganzes Potential auf. Das Panel, mit dem Kapitel 14 anfängt, finde ich z.B. sehr gelungen und auch die ganze Vergangenheit von Minato, auch wenn mir da das Tempo ein wenig zu schnell war. Aber ab Kapitel 14 ist dann alles perfekt. Die Aussprache, die mit "Lass uns zusammen heilen" endet, der Besuch im Uhrenladen und der überraschend einfühlsame Rückblick in Seths Vergangenheit mit seiner Ex-Frau und wie er mit ihrem Tod umging nenne ich da mal. Geschichten mit Thema "Zweite Liebe" mag ich total gerne, viel mehr als das Festhalten an "Die erste Liebe ist das einzig Wahre" oder noch schlimmer "Man liebt nur einmal wirklich". (Nichts gegen Geschichten, in denen die erste Liebe einfach halt funktioniert, da sind auch eine Menge in meiner Favoritenliste
) Es gibt der Geschichte sehr oft einen realistischeren Touch und der betroffene Charakter ist durch seine Erfahrenheit oft reifer. Das kleine bisschen Sozialkommentar mit "Hoffentlich kommt bald eine Zeit, in der auch Männer einfach einen Sonnenschirm benutzen dürfen" ist natürlich immer gern gesehen, selbst ohne den Kontext. Mit ihm wird's natürlich noch besser: Zuerst Seths Entrüstung, weil das bedeuten würde, dass sein Grund, dicht an dicht mit seiner damals Freundin durch die Straßen zu schlendern, weggefallen wäre (nicht, dass einer nötig gewesen wäre), dann sein Umdenken wegen Minato, das dann den Anstoß zu einem Neuanfang bietet. Charakterentwicklung, yay~.
Besonders toll fand ich das Zitat "Und ab und zu macht es mich traurig, dass der Schmerz im Vergleich zu damals nachgelassen hat" Da wird richtig gut der Zwiespalt aufgezeigt, der trauernden Menschen aufliegt. Man will weitermachen mit dem Leben, aber das bedeutet auch ein Stück weit, von einer geliebten Person loszulassen und das ist schmerzhaft. Da dürfen auch ruhig ein paar Tränen kullern.
Da schmeißt sich Minato ran! In den letzten paar Seiten schön die Romantik, die im Stillen unentwegt gereift ist, blühen lassen. Der Kuss war jedenfalls supersüß und Minato legt gleich noch nach mit einem de-facto-Liebesgeständnis, auch wenn Seth der Situation nicht ganz folgen kann. ^^
Ich bin trotz pathologischer Zu-Viel-Schreiberei sehr simpel gestrickt: Gib mir eine süße, herzwärmende Liebeserklärung und ich quietsche im Falsetto und grinse von Ohr zu Ohr.
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